Wenn Distanz Nähe schafft: Fernbeziehungen als Chance
Die Arbeit auf der Bühne bringt auch unliebsame Entscheidungen mit sich. Rollenangebote am Wohnort sind häufig knapp oder eindimensional. Um sich beruflich weiterentwickeln zu können, ist oft ein Wohnortwechsel notwendig. Gerade wenn man in einer Beziehung lebt und der Partner oder die Partnerin diese Veränderung nicht mitmachen kann, entsteht hier eine zusätzliche Belastung. Viele Paare entscheiden sich dann für das Modell einer Fernbeziehung. In unserer Gesellschaft nimmt die Häufigkeit dieses Beziehungsmodells immer mehr zu. Dennoch gibt es keine klare Definition von Fernbeziehungen. Als solche betitelt werden Partnerschaften von Menschen, deren räumliche Lebensmittelpunkte nicht in unmittelbarer, physischer Nähe zueinander sind. Was unter unmittelbarer physischer Nähe zu verstehen ist, bleibt jedoch offen. Hier ergibt sich ein sehr großes Spektrum, das auch unterschiedliche Belastungen mit sich bringt. Von Wochenendbeziehungen bis hin zu Trennungen über ganze Kontinente hinweg, ist hier alles enthalten.
Ob eine Fernbeziehung überhaupt versucht werden soll, hängt von den Personen in der Partnerschaft ab und ist eine sehr individuelle Entscheidung. Werte, Bedürfnisse und Ziele spielen dabei eine entscheidende Rolle. Offene Kommunikation untereinander, aber auch Selbstreflexion und die bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen dahingehend ist unerlässlich.
Fernbeziehungen erfordern Vertrauen, Kommunikation und Engagement. Gleichzeitig bieten sie die Möglichkeit, persönliche Freiräume zu bewahren und die Beziehung durch bewusste Interaktionen zu stärken.
Falls du dich fragst, ob eine Fernbeziehung das Richtige für dich ist, oder wenn du schon mitten in einer solchen Beziehung steckst, dann lies weiter. Dieser Beitrag bietet dir wertvolle Einsichten und Inspirationen, die dir helfen können, die Chancen und Herausforderungen einer Fernbeziehung besser zu verstehen.
Der Umgang mit Unsicherheiten (Kommunikation als Schlüssel)
- Negative Emotionen und Unsicherheit: Studien zum Thema Fernbeziehungen zeigen, dass negative Emotionen, ein niedriger Selbstwert und Zukunftspessimismus die Stabilität von Fernbeziehungen beeinträchtigen können. Insbesondere Männer sind in diesem Beziehungsmodell herausgefordert, da es für sie häufig schwieriger ist, auf digitalem Weg ihre Gefühle und Bedürfnisse zu kommunizieren.
Die Chance: Hier findet sich sehr viel Potential, denn gewaltfreie und offene Kommunikation kann erlernt werden. Dies wird sich einerseits positiv auf die Partnerschaft auswirken, aber auch auf andere Beziehungen.
Wenn dieser Schritt gelingt, wird durch die tiefere Kommunikation die emotionale Bindung gestärkt. Das wiederum fördert die Ausschüttung von Wohlfühlhormonen wie Dopamin, was sich positiv auf die Paarbeziehung auswirkt.
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Trauer und Stress in der Beziehung (von Abschied und Wiedersehen)
- Wiederkehrende Trauerphasen: Untersuchungen haben gezeigt, dass Paare in Fernbeziehungen regelmäßig kleine Episoden von Trauer erleben. Abschiede tun weh, hinterlassen häufig Gefühle wie Hoffnungslosigkeit, Eifersucht, Sehnsucht, Wut und Einsamkeit. Dies belastet die betroffenen Personen und auch die Partnerschaft.
- Stress: Die räumliche Trennung kann zu erhöhtem Stress führen, was mit einem Anstieg des Stresshormons Cortisol verbunden ist. Ein Mangel an körperlicher Nähe, wie Küssen oder Umarmen, reduziert die Ausschüttung von Oxytocin, das für Stressabbau und Wohlbefinden sorgt.
Die Chance: Diese Phasen der Trauer und Sehnsucht können die emotionale Widerstandsfähigkeit der Partner:innen fördern. Akzeptanz ist hier der Schlüssel – und zwar sowohl das Akzeptieren der räumlichen Trennung als auch die Annahme der eigenen Emotionen. Auch hier ist es wichtig offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren und besonders behutsam miteinander umzugehen.
Abschied ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Denn auch das Wiedersehen ist ein Teil der Fernbeziehung, der positive Effekte auf die Beziehung haben kann und in unseren Körpern einen regelrechten Hormonrausch verursacht, der in Nahbeziehungen so nicht mehr stattfindet. Beim Wiedersehen steigt das Hormon Oxytocin (Kuschelhormon), das die Bindung und das Vertrauen stärkt. Aber auch der Stresslevel kann durch den Rückgang des Cortisolspiegels gesenkt werden. Stress durch die Trennung wird gemildert und Entspannung kann sich einstellen. Freude und Aufregung, die mit dem Wiedersehen verbunden sind, führen zu einer erhöhten Ausschüttung des Glückshormons Dopamin. Dieses verstärkt das Gefühl der Belohnung. Körperliche Nähe wie Umarmungen und Küsse setzen Endorphine frei, die stimmungsaufhellend wirken. Auch dies fördert das Glücksgefühl und das allgemeine Wohlbefinden.
Unabhängigkeit und Beziehungszufriedenheit
Persönliches Wachstum: Die Distanz vereinfacht es in Partnerschaften, individuelle Interessen zu verfolgen und persönliche Ziele zu erreichen. Subjektiv wird dann ein höheres Maß an persönlicher Freiheit erlebt, Selbstverwirklichung wird möglich. Dies wiederum kann zu einer ausgewogeneren Beziehung führen, denn das Gefühl, zu viel für eine Partnerschaft aufgegeben zu haben, stellt sich im Regelfall nicht ein. Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass die Beziehungszufriedenheit in Fernbeziehungen vergleichbar ist mit der in anderen Beziehungen. Hier entsteht also durch die räumliche Distanz kein Nachteil. Im Gegenteil, häufig wird die gemeinsame Zeit bewusster und wertschätzender erlebt.
Fazit
Fernbeziehungen stellen eine besondere Herausforderung dar, da sie ein hohes Maß an Vertrauen, Kommunikation und Engagement erfordern. Doch sie bieten auch viele Chancen: Sie ermöglichen es den Partner:innen, persönliche Freiräume zu bewahren und ihre eigenen Interessen zu verfolgen, was das persönliche Wachstum fördert. Diese räumliche Distanz kann die Beziehung auf unerwartete Weise stärken, wenn beide Partner:innen lernen, ihre Gefühle klar zu kommunizieren und mit den unvermeidlichen Herausforderungen der Trennung umzugehen.
Die Fähigkeit, schwierige Emotionen wie Trauer und Sehnsucht zu akzeptieren und mit ihnen umzugehen, kann zu einer tieferen emotionalen Bindung führen. Ebenso kann das Wiedersehen nach der Trennung einen starken hormonellen Boost auslösen, der die Beziehung mit neuen Impulsen und positiver Energie füllt. Durch bewusstere Interaktionen und einen klaren Fokus auf die gemeinsamen Werte und Ziele, kann sich eine Fernbeziehung genauso erfüllend und stabil entwickeln wie jede andere Beziehung.
Es ist wichtig, die Balance zwischen Nähe und Unabhängigkeit zu finden und sich bewusst auf die positiven Aspekte dieser Beziehungsform einzulassen. Wenn Vertrauen und Kommunikation aufrechterhalten werden, können Fernbeziehungen nicht nur überdauern, sondern auch florieren.
Alles Liebe,
Bettina