Die Psychologie der Verlässlichkeit
Ein ehemaliger Regisseur hat mir einmal verraten, warum er immer wieder in seinen Projekten die gleichen Menschen besetzt hat: „They were easy to work with“. Auf Nachfrage, was das für ihn bedeutet, meinte er, einfach unkompliziert. Für ihn zeichnet sich das dadurch aus, dass Menschen pünktlich sind, vorbereitet sind – einfach einen guten Job machen. Er beschrieb es unter anderem mit den Worten, einfach ganz da, ganz bei der Sache.
In der Blogreihe „Easy to work with” werden unterschiedliche Aspekte und Qualitäten beleuchtet, die für eine entspannte Zusammenarbeit notwendig sind. Dabei werden auch psychologische Konstrukte analysiert, die dahinterstecken, welche Bedürfnisse mithineinspielen und letztlich auch das, was jede Person selbst tun kann, um als unkompliziert wahrgenommen zu werden. Warum das von Bedeutung ist? Wir alle sind doch auf der Suche nach Kolleg:innen, Mitarbeiter:innen und Führungskräften, mit denen Projekte reibungslos, entspannt und dennoch erfolgreich sind.

They were so easy to work with.
Unkompliziert. Pünktlich. Vorbereitet.
„Würdest du gerne mit dir zusammenarbeiten?“
– Ein Schlüssel zu Selbstreflexion und besserer Zusammenarbeit
Zum Einstieg in das Thema: Nimm dir doch mal einen Moment, und frag dich selbst: Würdest du gerne mit dir arbeiten? Lass dir mit der Antwort Zeit, reflektiere deine Stärken und Schwächen. Was sind die Dinge, die du an dir selbst in der Arbeit schätzt? Welche Dinge könnten eine Zusammenarbeit erschweren? Und mit welchen Worten würdest du dich selbst in der Arbeit beschreiben?
Verlässlichkeit als Basis für Vertrauen
- Grundlage jeder Beziehung: Psychologische Forschung zeigt, dass Vertrauen die Basis für jede erfolgreiche zwischenmenschliche Beziehungen ist – sei es im beruflichen oder privaten Bereich. Um überhaupt als vertrauenswürdig gelten zu können, ist Verlässlichkeit eine unverzichtbare Qualität, denn sie vermittelt Beständigkeit im eigenen Verhalten.
- Wahrgenommene Sicherheit: Verlässlichkeit ist eng mit dem Bedürfnis nach Sicherheit (zweite Stufe in Maslows Modell) verbunden und signalisiert, dass Erwartungen erfüllt werden. Das wiederum reduziert Stress und fördert die Zusammenarbeit, denn Menschen fühlen sich wohler und sicherer, wenn sie wissen, dass andere ihre Versprechen halten.
Die Bedeutung der (Unzu)verlässlichkeit
- Stress und Unsicherheit: Im Umkehrschluss führt fehlende Verlässlichkeit zu Unsicherheit und erhöht den Stress in Teams oder Beziehungen. Unzuverlässigkeit hat sowohl Folgen für das Umfeld, als auch für die unzuverlässige Person selbst. Die Person, der Unzuverlässigkeit widerfährt, ist im Regelfall frustriert und menschlich enttäuscht. Mit der Unzuverlässigkeit anderer umzugehen, kostet die andere Person auch Ressourcen, wie Zeit, Geld oder andere Mittel. Als Konsequenz wird sich die Person künftig vor Unzuverlässigkeit schützen. Das wiederum betrifft dann die unzuverlässige Person direkt. Beginnend mit dem Einfordern von Verlässlichkeit, das im Regelfall als unangenehm empfunden wird (Bsp.: Mahnungen, Aktenvermerke…) bis hin zum Ausschluss aus einer Gemeinschaft (Bsp.: Kündigung, Kontaktabbruch…), ist die Palette der möglichen Sanktionen lang.
- Mangelnde Zuverlässigkeit: Dieses Problem hat viele Gesichter. Einerseits werden durch das Verhalten der unzuverlässigen Person Rückschlüsse auf ihren Charakter gezogen. Andererseits gibt es aber auch Bedeutung auf der gesellschaftlichen Ebene. In der Sozialpsychologie wurde festgestellt, dass verlässliches Verhalten in der Erziehung immer weniger eingefordert wird. In vielen Bereichen ist es einfacher geworden, sich den Sanktionen, die aus der Unzuverlässigkeit resultieren, zu entziehen. So ist eine Ehe rasch geschieden und ein Job schnell gewechselt. Doch gerade in (relativ) geschlossenen Branchen, wie es auch die Kulturbranche ist, kann Mundpropaganda es erschweren, in einem anderen Haus Fuß zu fassen.
- Effektive Zusammenarbeit: Verlässliche Menschen jedoch erleichtern die Planung, da andere darauf vertrauen können, dass Aufgaben pünktlich und richtig erledigt werden. Dies fördert effizientes Arbeiten und stärkt die Gruppendynamik.
Die Rolle der Konsistenz
- Konsistenzprinzip: Die Basis dieses Prinzips bildet die Macht der Gewohnheit. Konsistenz ist nichts anderes, als dass wir im Einklang mit unserem früheren Verhalten handeln. Dieses Verhalten ist gesellschaftlich erwünscht und wird generell als angenehm wahrgenommen. Es erleichtert Vorhersagbarkeit und hilft bei der Entscheidungsfindung.
- Kognitive Entlastung: Wenn wir wissen, dass jemand zuverlässig ist, reduzieren wir unbewusst die mentale Belastung. Wir übergeben der Person Aufgaben und vertrauen darauf, dass sie erledigt werden. Somit müssen wir uns darum auch keine Gedanken mehr machen. Wenn wir eine Person jedoch als unzuverlässig wahrnehmen, können wir dennoch Aufgaben an sie übertragen. Der Effekt ist jedoch nicht der gleiche, denn unser Gehirn glaubt nicht daran, dass diese auch tatsächlich erledigt werden. Es gibt Erfahrungen aus der Vergangenheit, die genau das belegen. Und so bleiben diese Aufgaben in unserem Bewusstsein und unsere Gedanken beschäftigen sich auch weiterhin mit der bereits delegierten Aufgabe. Verlässliche Personen tragen also zu unserer mentalen Entlastung bei.
Der Halo-Effekt von Verlässlichkeit
- Positive Wahrnehmung: Der Halo-Effekt ist ein Begriff aus der Sozialpsychologie und beschreibt das Phänomen der kognitiven Verzerrung. Man schließt von einer bekannten positiven Eigenschaft einer Person (Bsp.: Pünktlichkeit) auf eine andere (Bsp: Fachwissen), für deren Existenz man keinerlei Beweis hat. Verlässlichkeit wird also oft mit anderen positiven Eigenschaften assoziiert und kann so ein positives Bild verstärken.
Fazit
Verlässlichkeit ist mehr als nur eine angenehme Eigenschaft – sie ist ein Grundpfeiler erfolgreicher Zusammenarbeit. Psychologisch gesehen schafft sie Vertrauen, reduziert Unsicherheiten und entlastet mental. Fehlende Verlässlichkeit hingegen erzeugt Stress, Frustration und kann zu Ausschluss oder Vertrauensverlust führen.
Zuverlässige Menschen erleichtern Planung und Teamarbeit, während der Halo-Effekt ihre positive Außenwirkung verstärkt: Wer zuverlässig ist, wird oft auch in anderen Bereichen als kompetent wahrgenommen.
In einer Welt voller Flexibilität bleibt Verlässlichkeit eine Schlüsselqualität – und macht uns zu Menschen, mit denen man gerne zusammenarbeitet.
Mit der Reihe Easy to work with geht es im nächsten Beitrag weiter.
Alles Liebe
Bettina